2019: Kulturstiftung unterstützt Theaterprojekt

Die Demokratie verteidigen: Diesen Auftrag verspürt die Volksbühne Bad Emstal. Vereinschef Lothar Neumann (Zweiter von links) und Regisseurin Antje Hörl haben für die Umsetzung des Buchs „Adressat unbekannt“ in eine szenische Lesung 5000 Euro von der Kulturstiftung des Landkreises Kassel erhalten. Überbringer des Zuschusses waren der Vorsitzende der Stiftung Andreas Siebert (Zweiter von rechts) und Vorstandsmitglied Wilfried Wehnes (rechts). Pfarrer Stefan Kratze (links) stellt für die Aufführungen die Balhorner Kirche zur Verfügung.   FOTO: ANTJE THON

Gegen den Geist von rechts
Volksbühne Bad Emstal bezieht mit szenischer Lesung politischen Standpunkt

VON ANTJE THON
Balhorn – Die Wandlung von Menschen durch Beeinflussung ist ein großes, ein aktuelles Thema. Diese Erkenntnis verfestigte sich für Antje Hörl, als ihr zufällig das kleine Buch „Adressat unbekannt“ von Katherine Kressmann-Taylor in die Hände fiel, das die Autorin 1938 geschrieben hat. Für die Regisseurin der Volksbühne Bad Emstal war klar, diese Geschichte, die vom Ende einer deutsch-amerikanischen Freundschaft zweier Geschäftsleute zu Beginn der Nazi-Herrschaft erzählt, gehört auf die Bühne. In der szenischen Lesung wird das Publikum Zeuge, wie aus Freunden Feinde werden, wie einer der Männer dabei über Leichen geht und den Tod einer Jüdin billigend in Kauf nimmt. Zentrales Element der Geschichte ist die manipulative Kraft von Worten. Das sei etwas, das auch in der heutigen Zeit wieder an Einfluss gewinne, sagt der Vorsitzende der Volksbühne Lothar Neumann. „Worte werden nicht mehr hinterfragt“, ergänzt Antje Hörl, die dafür wirbt, vermeintliche Fakten auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Hörl und Neumann hatten die übrigen Mitglieder der Volksbühne schnell von ihrem Vorhaben überzeugt, mit dem sie Neuland betreten. Steht das Ensemble sonst doch eher für leichte Unterhaltung. „Das Thema lässt sich aber nicht als Komödie bearbeiten“, sagt Neumann und meint das sehr ernst. Das Buch der Amerikanerin Katherine Kressmann-Taylor und die darin enthaltene Botschaft seien aktueller denn je, so der Vereinschef aus Balhorn. Der rechte Geist sei wieder auf dem Vormarsch, bei Wahlen habe es in allen Bundesländern einen Rechtsruck gegeben. „Wir gehen sehenden Auges in eine Zeit, die wir nicht wollen“, analysiert Lothar Neumann. Nun könne man sagen, die Menschen in den 1930er-Jahren seien nicht informiert gewesen, so Hörl, die das Thema für sich entdeckte, als der ermordete Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke noch lebte. Dieses Argument zähle heute aber nicht. Informationen gebe es mehr als genug, die Menschen seien sehr wohl in der Lage, das eine vom anderen zu unterscheiden. „Das Festsetzen von rechten Ideologien in den Köpfen der Mitläufer, der Unzufriedenen, der sozial Schwachen und der einfach Vergessenen, muss endlich aufhören“, so Neumann. Die Kulturstiftung des Landkreises Kassel unterstützt das Theaterprojekt, das am 9. November in der Kirche in Balhorn Premiere haben wird, mit 5000 Euro. Das Geld wird in die Licht- und Tontechnik fließen. Unter anderem soll ein Beamer angeschafft werden. Stiftungsvorsitzender Andreas Siebert hofft, dass die Lesung, die auch mit Bildern und Live-Musik umrahmt sein wird, möglichst viele Menschen erreicht. Die Volksbühne will das Stück, das in seiner Theaterfassung den vom Original abweichenden Titel trägt „Empfänger unbekannt“, auch an den großen Schulen in Wolfhagen, Zierenberg und Bad Emstal zeigen. „Ganz bewusst haben wir uns dafür entschieden, bei allen Vorstellungen keinen Eintritt zu nehmen“, sagt Neumann. Jeder Besucher hat aber die Möglichkeit zu spenden. Damit könne jeder, unabhängig von den ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln, die Vorstellungen besuchen. Und das sei dem Verein wichtig.

„Wir gehen sehenden Auges in eine Zeit, die wir nicht wollen.“
Lothar Neumann, Vorsitzender der Volksbühne Bad Emstal
 

Neun Vorstellungen an verschiedenen Orten

Dorfgemeinschaftshaus Istha (20 Uhr) und am 9. Februar in die Wolfhager Stadtkirche (17 Uhr). Eine weitere Vorstellung gibt es am 27. März im Mehrgenerationen-Bahnhof in Hümme (20 Uhr). Statt Eintritt wird um eine Spende gebeten. Weitere Aufführungen wird es an den Schulen in Sand, Zierenberg und Wolfhagen geben. ant