2011: Simone Solga

HNA vom 5.10.2011

Süffisante Seitenhiebe

Polit-Kabarettistin Simone Solga als Vorauskommando für Kanzlerin Merkel

Bad Emstal. Den 58-jährigen Balhorner Ernst Rüppel erwartet in der kommenden Woche jede Menge verantwortungsvoller Arbeit. Denn dann ist die Kurgemeinde Bad Emstal beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel kurzzeitig das Zentrum der Macht. Und Rüppel ist die von Simone Solga auserkorene gewichtige Person – was nichts mit dem Begriff Gewicht zu tun hat -, die als Sonderbeauftragte für das stille Örtchen im Kur- und Festsaal dafür zuständig ist, dass jegliche dort geäußerte Kritik über den „Kampfhosenanzug aus Berlin“ umgehend ihr als selbsternannte Kanzlersouffleuse gemeldet wird.
Die Polit-Kabarettistin, die auf Einladung der Bad Emstaler Volksbühne mit ihrem neuen Programm „Bei Merkels unterm Sofa“ als Vorkommando ihrer Chefin im rappelvollen Kursaal gastierte, hätte für dieses Amt zwar lieber den Bad Emstaler Bürgermeister gesehen. „Doch der“, so Simone Solga süffisant, „hat es vermutlich vorgezogen, sich zu Hause am Fernseher `Verstehen Sie Spaß` reinzuziehen.“
Aktuell, frech, sarkastisch, schnell, wortgewaltig und mit einer gehörigen Portion schwarzen Humor schreckte Simone Solga als „Mädchen für alles“ im Kanzleramt vor nichts zurück. Bei einem Schluck heißen Tee aus der Thermoskanne und dem Verzehr der mitgebrachten Ei-Stulle verteilte sie fiese Seitenhiebe in alle Richtungen. Mit messerscharfem Blick und überspitzer Zunge zerrte sie nicht nur das von der Regierungsbank in Berlin unter den Teppich Gekehrte ins grelle Licht der Öffentlichkeit, sondern auch die nicht minder grandiosen Leistungen der Opposition und des „ganzen restlichen europäischen Klüngels“.
Vehement verteidigte sie die Papstrede im Bundestag. Solga: „Als Oberhaupt der katholischen Kirche muss er doch da sprechen, wo das Elend am größten ist.“
Egal, wem sie die Leviten las, das Publikum dankte es ihr mit frenetischem Applaus. Auch, als sie eine wissenschaftliche Statistik zum Besten gab, nach der neun von zehn Bürgern „grützeblöd“ sind: Keiner im Saal fühlte sich angesprochen…
Simone Solga kam vom Hölzchen aufs Stöckchen, vom Chaos unter dem Merkelschen Sofa auf die Unordnung in der mitgebrachten Handtasche der Frau Kanzlerin, in der sich als geheime Verschlusssache all das ein Stelldichein gab, was zur Regierungsarbeit „alternativlos“ benötigt wird.
Die Polit-Kabarettistin konnte aber auch anders. Leise und gefühlvoll setzte sie dem unbekannten Soldaten ein Denkmal und brandmarkte das nichtssagende Wort „Fallen“ der offiziellen Verlautbarung als „sinnloser Scheißtod“ in Afghanistan.               Von Reinhard Michl